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Rezension: Die Fesseln lösen- Wege aus der Opferrolle- Anselm Grün- Vier Türme-Verlag

Der Benediktinermönch Pater Dr. #Anselm_Grün hat ein weiteres, zum Nachdenken anregendes Buch geschrieben. Es trägt den Titel "Die Fesseln lösen- Wege aus der Opferrolle". Wie so oft enthält auch dieses Werk psychologische aber auch spirituelle und biblische Überlegungen im Hinblick auf das fokussierte Thema. Diesmal geht es um Menschen, die wirklich #Opfer geworden sind und als Opfer gewürdigt werden müssen, aber auch um jene, die die #Opferrolle nur einnehmen, um Vorteile zu erzielen, zudem um Täter und die Frage, weshalb sie Opfer geworden sind. Insgesamt geht es um #Verwandlung und #Heilung, damit man wieder frei wird. 

Nach der mehrseitigen Einleitung ist das Werk in sechs Kapitel untergliedert. Anselm Grün lässt seine Leser wissen, dass ihn drei Bücher für das Thema der #Opferrolle sensibilisiert haben. Er nennt #Verena_Kast "Abschied von der Opferrolle", #Pascal_Bruckner "Ich leide so, also bin ich" und Alexander und Margarete #Mitscherlich "Die Unfähigkeit zu trauern". 

Für Anselm Grün sind drei Grundthesen wichtig. Die erste These basiert auf dem Grundsatz des Philosophen #Max_Horkheimer, wonach Täter nicht über ihre Opfer triumphieren dürfen, das heißt konkret zur Rechenschaft gezogen werden müssen und nicht einfach entschuldigt werden dürfen. Die zweite These basiert auf den Gedanken der Mitscherlichs, wonach Unrecht betrauert werden muss, damit man nicht erstarrt und die dritte Grundthese findet ihre Basis in den Gedanken der Schweizer Psychologieprofessorin #Verena_Kast. Ihr geht es darum, dass Opfer, von der Opferrolle Abschied nehmen sollen, wobei sie Opfer von sexuellem Missbrauch ausklammert. Kast möchte diesen Abschied, um zu verhindern, dass das Opfer selbst zum Täter wird und der Kreislauf von Täter und Opfer kein Ende findet. 

Anselm Grün beginnt seine Überlegungen am Beispiel einer Geschichte aus dem Markusevangelium und zeigt auf diese Weise, wie Jesu mit Opfern und Tätern umgegangen ist. Der Benediktinermönch sieht die drei Grundsätze von Horkheimer, Mitscherlich und Kast hier verwirklicht. 

Im zweiten Kapitel, "Opfer und Täter in der modernen Gesellschaft" behandelt  der Autor die drei Grundthesen ausführlicher. Er bezieht sich in erster Linie auf einen Vortrag, den er zur Aufarbeitung der Vergangenheit in Taiwan gehalten hat. Man erfährt hier Näheres zum Buch der Mitscherlichs, die darin hervorheben, dass begangenes Unrecht, das nicht betrauert wird, zu Erstarrung der Gesellschaft führt. #Betrauern heißt durch den Schmerz hindurchgehen, so etwa, dass man sich in Ländern, wo Diktaturen herrschen oder herrschten und viele Menschen gefoltert oder gar getötet werden oder wurden, diese Verbrechen sich wirklich bewusst macht und Mitgefühl entwickelt. Nur so könne man Berührung mit den guten Kräften in der Gesellschaft erlangen. 

Das Verleugnen der Vergangenheit bewirke nach Mitscherlich Sterilität und schränke die Realitätswahrnehmung ein. Wichtig sei: #erinnern, #wiederholen und #durcharbeiten. Erinnern alleine genüge allerdings nicht. Nur dort, wo #Erinnerungsarbeit stattfände, könne Verantwortung für die eigene Vergangenheit übernommen werden und nur dort auch sei authentische Politik möglich. Es geht bei der Vergangenheitsbewältigung um eine versöhnte Gesellschaft, diese aber ist nur möglich, wenn die Schuld benannt worden ist. 

Dass ein Täter nicht über die Opfer triumphieren darf, sagt Max Horkheimer. Doch wenn nicht aufgearbeitet wird, ist das leider oft so. Deshalb kann es dann auch keine Gerechtigkeit geben. #Gerechtigkeit werde problematisch, wenn sie absolut sei. Sie müsse mit Barmherzigkeit verbunden sein, damit sie zum Heil der Gesellschaft und einzelner beitrage. 

Anselm Grün schreibt in diesem Buch u.a. von der Opferrolle im persönlichen Bereich. Hier werden Menschen beispielsweise Opfer von Verletzungen, Verleumdungen, von Mobbing oder irgendwelchen Behauptungen, die jemand ins Internet stellt und mit denen er den Ruf schädigt. Anzunehmen was ist, scheint wichtig zu sein, um es verarbeiten und loslassen zu können. Anselm Grün schreibt von Opfern als Kind, im Studium, am Arbeitsplatz, im Team, in der Partnerschaft, in der Familie, des emotionalen Missbrauchs etc. 

Wer sich als Opfer fühlt, schadet sich nicht selten in der eigenen Entwicklung, wenn er unbewusst  oder unbewusst durch ein Verhalten, dem Täter Schaden zufügen möchte und selbst zum Täter wird. Aus der Opferrolle zu entkommen, heißt auch sich abzugrenzen, heißt zu vergeben, bedeutet bestimmt Schritte zu gehen, die der Autor sehr gut beschreibt. 

Was mir gefällt, ist die Vorstellung eines bestimmten Rituals. Es geht um das Segnen des Täters als Möglichkeit, sich mit der eigenen Kraft zu verbinden vom Täter zu lösen und sich als Opfer nicht mehr zur Verfügung zu stellen. 

Anselm Grün wäre nicht Benediktinermönch, wenn er nicht über Christus im Zusammenhang mit dem  Begriff Opfer sprechen würde. Die Bibel spricht vom Opfer Christi, von dessen Tod, in dem er sich ganz Gott übergeben hat. 

Wir allerdings bräuchten Gott keine Opfer zu bringen, um ihn gnädig zu stimmen. Es genüge, wenn wir uns und anderen gegenüber barmherzig seien. 

Der Autor zeigt biblische Bilder für den Ausstieg aus der Opferrolle. So etwa Joseph, der Opfer des Neids seiner Brüder geworden war. Dann liest man über spirituelle Wege, Abschied von der Opferrolle zu nehmen, die mich persönlich sehr überzeugen. So beispielsweise das  schon erwähnte Segnungsritual, auch davon mit Schuldzuweisungen aufzuhören und wie man mit negativen Gefühlen, Ängsten und Depressionen umgeht. 

Wichtig bei allem ist, dass man seine Fesseln löst, denn Opfer zu bleiben, bedeutet auf Dauer zu infantilisieren. Das kann keiner wollen, der an Persönlichkeitsreifung interessiert ist.

Maximal empfehlenswert 

Helga König

Im Fachhandel erhältlich

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Die Fesseln lösen. Wege aus der Opferrolle

Rezension: Mit Frieden gewinnt man alles- Papst Franziskus- Herder

Die fruchtbaren Dialoge im vorliegenden Buch finden statt zwischen Papst_Franziskus, dem argentinischen Jesuiten und Sohn italienischer Einwanderer sowie dem französischen Intellektuellen Dominique Wolton, -  er ist promovierter Soziologe und Forschungsdirektor des "Centre national de la recherche Scientifique". 

Nach einer umfangreichen Einleitung sind die Dialoge in acht Kapitel untergliedert. Dabei geht es um die Themen: 

-Frieden und Krieg 
-Religion und Politik 
-Europa geht es schlecht 
-Der Schlüssel zur Kommunikation 
-Die Andersheit, die Zeit und die Freude 
-"Die Barmherzigkeit ist eine Reise vom Herzen zur Hand" 
-"Die Tradition ist eine Bewegung"
-"Manchmal muss man radikal sein" 

In der Einleitung berichtet Dominique Wolton zunächst über das Buch-Projekt und erklärt, weshalb er das Zwiegespräch mit Papst Franziskus gewählt hat. Dieses nämlich lasse eine Öffnung zum anderen hin zu und darüber hinaus einen Austausch von Argumenten sowie die Präsenz des Lesers. Der Dialog schenke der menschlichen Kommunikation Sinn, der über die Performance und die Grenzen der Technologie hinausgehe. 

Der französische Intellektuelle hat für sein Buch einen Blickwinkel gewählt, der sich auf folgende Fragen bezieht: Worin besteht die Eigenart des sozialen und politischen Engagements der Kirche? Was unterscheidet sie von einem politischen Akteur?

Für Wolton ist Papst Franziskus der erste Papst der Globalisierung, ein Papst zwischen Europa und Lateinamerika. 

Die insgesamt 12 Gespräche der beiden fanden zwischen Februar 2016 und Februar 2017 statt. Dabei geht es thematisch um: politische, kulturelle und religiöse Fragen, die die Welt und ihre Gewalt umtreiben. Wolton fasst den Inhalt  des Werks stichpunktartig wie folgt zusammen: den Frieden und den Krieg; die Kirche in der Globalisierung und angesichts der kulturellen Vielfalt; die Religion und die Politik; die Fundamentalismen und der Laizismus; die Beziehungen zwischen Kultur und Kommunikation; Europa als Schauplatz des kulturellen Miteinanders; die Beziehungen zwischen Tradition und Moderne; den interreligiösen Dialog; den Status des Individuums, der Familie, der Sitten und Gesellschaft; die universalistischen Ansätze; die Rolle der Christen in einer von der Rückkehr der Religionen geprägten laizistischen Welt; die Fehlkommunikation und die Besonderheit des religiösen Diskurses. 

Diese Themen sind den oben genannten acht Kapiteln zugeordnet. Dort wurden die Gespräche mit Auszügen aus 16 großen Aussprachen ergänzt, die der Papst seit seiner Wahl am 13.3. 2013 weltweit gehalten hat. Jeweils zwei dieser Aussprachen, die die Zwiegespräche veranschaulichen, finden sich am Ende eines jeden Kapitels. Die Arbeit an dem Buch hat übrigens zweieinhalb Jahre in Anspruch genommen. 

Wolton betont, dass die Dialogpartner bewusst nicht die politischen und institutionellen Konflikte im Herzen der Kirche eingegangen sind. 

Deutlich wird in den Gesprächen nicht zuletzt, dass die christliche Religion mit ihrer universalistischen Ausrichtung durch Respekt, Würde, Anerkennung, Vertrauen auch im Zentrum des demokratischen Modells den Dialog aufrechtzuerhalten suchen. Es geht um die Kultur der Begegnung, um die Kultur der Kommunikation, es geht darum, Brücken zu schlagen von Mensch zu Mensch und keine Mauern zu ziehen. Damit Grenzen nicht zur Mauer werden, bedarf es der Brücken. 

Ganz zu Ende des Buches kann man noch einige Sentenzen von Papst Franziskus lesen, die sich nicht nur zum Nachdenken eignen, sondern auch zum Twittern anbieten. Eine davon möchte ich hier wiedergeben, weil sie viel über Papst Franziskus aussagt und neugierig auf das Buch macht, um mehr von diesem klugen Menschen mit ungeheurer Herzensbildung zu erfahren:

"Meine Lieblingswörter? Freude, Zärtlichkeit, Nähe, Staunen, Verwunderung."

Maximal empfehlenswert. 

Helga König Im Fachhandel erhältlich 

Onlinebestellung: Herder oder Amazon
"Mit Frieden gewinnt man alles": Im Gespräch mit Dominique Wolton über Politik und Gesellschaft