Der Autor dieses aufschlussreichen Buches ist Pater Dr. Anselm Grün. Er ist Mönch der Abtei Münsterschwarzach und der bekannteste spirituelle Autor in Deutschland. Er möchte in seinem Werk das Thema des Fremdseins einmal von der Geschichte, der Psychologie und vom Glauben her betrachten.
Wie Pater Anselm gleich zu Beginn des Buches festhält, ist die Angst vieler Menschen hierzulande keineswegs in der hohen Zahl der Flüchtlinge und Fremden bei uns begründet, sondern stattdessen in der eigenen Verunsicherung. Im Umgang mit dem Fremden entdecken sie, dass sie ihre eigene Identität verloren haben.
Wichtig ist deshalb, sich die Lebensgeschichte derjenigen anzuschauen, die die Fremden ablehnen und im Falle vor der Angst einer Islamisierung zu überprüfen, wie es sich mit deren eigenen christlichen Wurzeln verhält.
Anselm Grün reflektiert zunächst die Erfahrungen des Fremdseins in der griechischen und römischen Kultur und in der jüdisch-christlichen Tradition. In der griechischen und römischen aber auch in der germanischen Kultur gibt es eine Ambivalenz des Fremden. Dabei ist der Fremde der, der nicht zur Gruppe gehört. Dieser Fremde ist stets andersartig, sei es in seinen Sitten oder seinem Aussehen.
Reaktion auf das Fremdsein war in der Antike Gunst oder Feindseligkeit. Die Völker, die für sich beanspruchen, die Kultur des Abendlandes zu repräsentieren, rangen sich stets zu einer positiven Haltung den Fremden gegenüber durch und haben durch die Integration der Fremden etwas für die eigene Gesellschaft gewonnen. Nicht zuletzt bestand ein großer Teil der Bildungsschicht in Athen aus Fremden und die Römer gar versuchten aus vielen Fremden ein einheitliches Reich zu schaffen.
Die christliche Tradition mahnt uns, den Fremden gut zu behandeln und aufzunehmen. Dabei bewahrheitet sich gerade unsere christliche Nächstenliebe in der Aufnahme der Fremden. Wie Pater Anselm schreibt, hat das Kloster Münsterschwarzach 38 Flüchtlinge aus Syrien, Iran, Irak und Eritrea aufgenommen. Die Mönche haben die Fremden als Bereicherung empfunden und sehr viel Freude durch die Gastfreundschaft geschenkt bekommen.
Wenn Geflüchtete mit Fremdenhass konfrontiert werden, fühlen sie sich, wie Pater Anselm festhält, als rechtlose Fremde, die keine Gastfreundschaft erfahren, sondern Ablehnung. Dadurch verstärke sich die Wunde, die sie durch die Flucht auf sich genommen haben. Der Autor unterstreicht, dass es großherzige Gastfreundschaft und Gespräche sind, die Geflüchtete brauchen, damit sie sich verstanden und angenommen fühlen. Dabei muss uns allen klar sein, dass viele Flüchtlinge traumatisiert sind und nicht "normal" reagieren können.
Sehr erkenntnisfördernd ist das Kapitel "Psychologische Einsichten: Die Begegnung mit dem Fremden". Hier bezieht sich der Autor öfter auf die Psychologen Arno Gruen, C. G. Jung und Verena Kast. Gruen konstatiert, dass Menschen, die das Eigene verachten, nicht fähig sind zur Empathie und zwar weder sich selbst noch anderen gegenüber. Die Ablehnung des Eigenen und der Hass auf das Eigene führe bereits in der Kindheit dazu, dass der Mensch seinen Hass nach außen wendet. So benötige er den Fremden als Feind, um seine eigene Identität zu finden. Wer als Kind das Eigene verleugnen musste, ersetze seine Identität durch Leistung und Anerkennung sowie seine soziale Rolle und verliere den Zugang zum anderen.
Man erfährt Näheres auch zum Schattenmodell von C. G. Jung. Wer seine Minderwertigkeitsgefühle verdränge, lebt sie aus, indem er andere kleinmacht und erniedrigt. Fremdenhass hat also viel mit eigenem, verdrängtem Minderwertigkeitsgefühl zu tun.
Das Fremde in uns einzugemeinden, es zu integrieren, wandelt uns und stärkt uns auch. Das sollte uns bewusst werden.
Wichtig ist, sich mit den Grundängsten menschlicher Existenz auseinanderzusetzen und zu lernen, uns von den Ängsten hin, ins Vertrauen in das Leben führen zu lassen.
Die Heilung der Fremdenangst geschieht durch Integration, lässt uns Anselm Grün wissen. Dabei ist es wichtig, seine Empathie zu erhöhen durch bestimmte Maßnahmen, die im Buch genannt werden. Bei allem ist es notwendig, den inneren Schatten anzunehmen und die Gegensätze in sich zu umarmen, wenn man sich der Angst vor dem Fremden entledigen möchte.
Was noch? Der Autor schreibt u.a. auch über die Gastfreundschaft im Christentum. Hier wird der Gast gewissermaßen zum Arzt des Gastgebers. Auch der heilige Benedikt hat sich in seinen Regeln zur Aufnahme der Gäste geäußert. Er möchte, dass man den Gästen mit großer Achtung begegnet, aber zugleich, will er die Abgeschiedenheit des klösterlichen Lebens schützen. Dies gelingt den Benediktinern. Sie nehmen die Fremden auf, ohne ihre Identität zu verlieren. Genau das Modell wäre interessant für die heutige Gesellschaft.
Der Autor reflektiert in der Folge dann die Entwicklung einer Fremdenethik und in diesem Zusammenhang den Dialog der Religionen. Wichtig ist und dies macht das Buch deutlich, dass man sich seiner eigenen Identität bewusst werden muss, um offen auf Fremde zuzugehen. Dies zu erkennen hilft, das vorliegende Buch.
Sehr empfehlenswert
Helga König
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