Dieses Buch informiert breitgefächert über das Judentum unterschiedlicher Prägung und räumt mit alten Vorurteilen auf, die immer wieder zu verheerenden Folgen geführt haben. Man erfährt, weshalb sich die Juden als Volk begreifen, obgleich die Mitglieder dieses Volkes ethnisch und genetisch durchaus nicht miteinander verwandt sein müssen. Es handelt sich, so der Autor "um eine Gruppe, die sich durch gemeinsamen Glauben, eine gemeinsame Sprache (zumindest die des Gebetes), eine gemeinsame Geschichte definiert" und vor einigen Jahrtausenden mit Gott einen speziellen Bund geschlossen hat. Wie dieser Bund aussieht und welche Folgen daraus resultieren, erklärt Paul Spiegel ausführlich. So hat ein Jude, um ein gottgefälliges Leben zu führen, sechshundertdreizehn Ge- und Verbote einzuhalten und sich zu bemühen "Zedek", sprich Gerechtigkeit zu üben. Oberstes Handlungsziel des jüdischen Glaubens ist demzufolge ein "Gerechter" zu werden und hierdurch glaubhaft seine Mitmenschlichkeit zu dokumentieren.
Spiegel macht den Leser mit den heiligen Schriften des Judentums vertraut: der Thora, dem Talmud und der Halacha, um sich in der Folge der jüdischen Geschichte anzunehmen. Man erfährt Essentielles aus dem alten Testament, an die Vertreibung der Juden aus ihrem Land durch die Römer wird erinnert und der zahllosen Pogrome gedacht, die in erster Linie seitens der Spanier und durch die Deutschen im Mittelalter betrieben wurden. Aber auch die nach Osten, das heisst nach Polen und in die baltischen Staaten eingewanderten Juden mussten nach Phasen friedlichen Zusammenlebens immer wieder mit Verfolgung rechnen, bis schließlich, nach Jahrzehnten nationalstaatlicher Politik, durch die Nazis, die Ausrottung dieses leidgeprüften Volkes mit perfidesten Mitteln angestrebt wurde. Gerechtfertigt wurde das mörderische Treiben stets mit bösartigen Unterstellungen jedwelcher Art, die in der Regel motiviert waren durch Neid und Habsucht.
Warum man diese Menschen immer wieder attackierte, lässt sich, trotz der Erhellung der Tätermotive, letztlich schwer begreifen, wenn man von den Festen und Ritualen liest, von der familiären Verbundenheit erfährt und von dem Wunsch durch koschere (reine) Nahrung sich immer wieder ein Stück weit in Selbstbeherrschung zu üben. Wie verblendet müssen vermeintliche Christen und Muslime während der vergangenen Jahrhunderte gewesen sein und wie blind sind sie heute noch, um das positive Wirkungsvermögen der Wertvorstellungen der jüdischen Ethik, mit dem Metagebot der Gerechtigkeit, nicht erkennen zu können?
Paul Spiegel hat, trotz aller negativen Erfahrungen in der Vergangenheit, Vertrauen in die Zukunft und immer wieder die Versöhnung im Auge. Versöhnung als Grundvorraussetzung für ein friedliches Zusammenleben ist im Grunde ein Gebot der Vernunft, das alle Menschen in diesem Jahrtausend, ob nun gläubig oder nicht, allein schon aus Gründen der Selbsterhaltung, vorbehaltlos, anerkennen sollten. Ein empfehlenswertes Buch, mit einer beachtlichen Fülle hochinteressanter Informationen zum jüdischen Glauben und Leben, die an dieser Stelle leider nicht detailliert ausgebreitet werden können.
Deshalb lesen Sie Paul Spiegel, er wird Sie um einige Erkenntnisse reicher machen.
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